E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Kantonsgericht (LU)

Zusammenfassung des Urteils 1B 13 26: Kantonsgericht

Die Caisse AVS der Fédération patronale vaudoise hat dem Vermögensverwalter J.________ eine persönliche Beitragsentscheidung für das Jahr 2004 mit einer fälligen Beitragssumme von 1'523 Fr. 40 mitgeteilt. Nach einer Opposition des Betroffenen hat die Caisse die Verzugszinsen teilweise akzeptiert und neu berechnet. J.________ hat gegen diese Entscheidung Rekurs eingelegt, der letztendlich abgelehnt wurde, da die Bedingungen für die Verzugszinsen erfüllt waren. Die Gerichtskosten wurden dem unterlegenen J.________ nicht auferlegt.

Urteilsdetails des Kantongerichts 1B 13 26

Kanton:LU
Fallnummer:1B 13 26
Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:1. Abteilung
Kantonsgericht Entscheid 1B 13 26 vom 31.10.2013 (LU)
Datum:31.10.2013
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Art. 90 ZPO und Art. 236 ZPO. Teilentscheid als Variante des Endentscheids. Teilentscheid bei objektiver Klagenhäufung; Eventualbegehren.
Schlagwörter : Teilentscheid; Klage; Entscheid; Eventualbegehren; Hauptbegehren; Begehren; Ansprüche; Klageänderung; Teilentscheide; Rechtsbegehren; Endentscheid; Schweizerische; Zivilprozessordnung; Basel; Berufung; Vorinstanz; Verfahren; Prozessgegenstand; Ziffer; Beklagten; Miete; Teilendentscheid; Unabhängig; Gefahr
Rechtsnorm:Art. 15 ZPO ;Art. 221 ZPO ;Art. 236 ZPO ;Art. 58 ZPO ;Art. 84 ZPO ;Art. 90 ZPO ;
Referenz BGE:135 III 212;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts 1B 13 26

Zwischen der Klägerin (Mieterin) und der Beklagten (Vermieterin) bestand ein Mietverhältnis betreffend Räumlichkeiten auf einer Liegenschaft. Nach Erteilung der Klagebewilligung durch die Schlichtungsbehörde Miete und Pacht gelangte die Klägerin ans Bezirksgericht. Der Einzelrichter liess eine Klageänderung der Klägerin nicht zu und trat auf diesbezügliche Begehren nicht ein. Gegen diesen Teilendentscheid erhob die Klägerin Berufung.

Aus den Erwägungen:

9.1. Zunächst ist zu prüfen, ob die Vorinstanz im vorliegenden Fall überhaupt einen Teilendentscheid erlassen durfte. Die Klägerin macht geltend, die Vorinstanz hätte über sämtliche eingeklagten Forderungen einen Entscheid fällen müssen. Es könne doch nicht sein, dass ein Mieter auf ein separates Verfahren vertröstet werden dürfe. Die Beklagte stellt sich auf den Standpunkt, die Klägerin habe eine unzulässige Klageänderung vorgenommen ( ).

9.2. Teilentscheide sind Entscheide, die nur einen Teil der gestellten Begehren behandeln, wenn diese Begehren unabhängig von den anderen beurteilt werden können (z.B. eines von mehreren selbständigen Leistungsbegehren; vgl. Art. 125 lit. a ZPO), das Verfahren nur für einen Teil der Streitgenossen abschliessen. Da Teilentscheide stets einen Teil der eingeklagten Rechtsbegehren erledigen, werden sie auch Teilendentscheide genannt. Sie sind eine Variante des Endentscheids. Unabhängig von den anderen Rechtsbegehren ist ein Begehren dann, wenn es auch Gegenstand eines eigenen Prozesses hätte bilden können und der Entscheid darüber einen Teil des Prozessgegenstands abschliessend beurteilt und keine Gefahr besteht, dass der Endentscheid über den verbleibenden Prozessgegenstand im Widerspruch zum bereits ausgefällten Teilentscheid steht. Anders als das BGG regelt die ZPO Teilentscheide nicht gesondert. Sie fallen unter Art. 236 ZPO. Erstinstanzliche Teilentscheide können als Endentscheide mit Berufung subsidiär mit Beschwerde angefochten werden (Naegeli, in: Kurzkomm. Schweizerische Zivilprozessordnung [Hrsg. Oberhammer], Basel 2010, Art. 236 ZPO N 5 f.; Killias, Berner Komm., Bern 2012, Art. 236 ZPO N 15 f.).

Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung zum Teilentscheid im Sinn von Art. 91 lit. a des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG; SR 173.110) stellt ein Teilentscheid eine Variante des Endentscheids dar. Mit ihm wird über eines einige von mehreren Rechtsbegehren (objektive subjektive Klagenhäufung) abschliessend befunden. Es handelt sich dabei nicht um verschiedene materiellrechtliche Teilfragen eines Rechtsbegehrens, sondern um verschiedene Rechtsbegehren. Ein Entscheid, der nur einen Teil der gestellten Begehren behandelt, ist jedoch nur dann ein vor Bundesgericht anfechtbarer Teilentscheid, wenn diese Begehren unabhängig von den anderen beurteilt werden können (Art. 91 lit. a BGG). Unabhängigkeit im Sinn von Art. 91 lit. a BGG ist zum einen so zu verstehen, dass die gehäuften Begehren auch Gegenstand eines eigenen Prozesses hätten bilden können. Zum anderen erfordert die Unabhängigkeit, dass der angefochtene Entscheid einen Teil des gesamten Prozessgegenstands abschliessend beurteilt, so dass keine Gefahr besteht, dass das Schlussurteil über den verbliebenen Prozessgegenstand im Widerspruch zum bereits rechtskräftig ausgefällten Teilurteil steht. Bei Eventualhäufungen bewirkt die prozessuale Verknüpfung der Urteile über das Hauptund das Eventualbegehren, dass kein Widerspruch zwischen dem Teilund Schlussurteil entstehen kann, da der allenfalls separat auszufällende Entscheid über das Eventualbegehren nur dann Bestand hat, wenn die Abweisung des Hauptbegehrens in Rechtskraft erwächst. Eine selbständig eröffnete Abweisung des Hauptbegehrens ist daher grundsätzlich als anfechtungspflichtiger Teilentscheid zu betrachten (BGE 135 III 212 E. 1.2).

Eine objektive Klagenhäufung liegt vor, wenn ein Kläger gegen denselben Beklagten gleichzeitig mehrere Ansprüche stellt mehrere getrennt eingereichte Ansprüche eines Klägers gegen den gleichen Beklagten vereinigt werden. Stehen mehrere Ansprüche gegen eine beklagte Partei in einem sachlichen Zusammenhang, so ist nach Art. 15 Abs. 2 ZPO jedes Gericht (örtlich) zuständig, das für einen der Ansprüche zuständig ist. Präzisierend hält Art. 90 ZPO fest, dass die klagende Partei mehrere Ansprüche gegen dieselbe Partei in einer Klage vereinen kann, wenn das gleiche Gericht dafür sachlich zuständig ist, und die gleiche Verfahrensart Anwendung findet. Die in einem sachlichen Zusammenhang stehenden Ansprüche können kumulativ eventuell geltend gemacht werden (Weber, Basler Komm., Basel 2010, Art. 15 ZPO N 14-16).

Die Eventualmaxime lässt zu, dass dem Hauptbegehren ein mehrere Eventualbegehren, für den Fall der Abweisung des Hauptbegehrens, beigefügt werden können. Es kommt erst zur Beurteilung des der Eventualbegehren, wenn das Gericht das Hauptbegehren abweist (Frei/Willisegger, Basler Komm., Basel 2010, Art. 221 ZPO N 7; Hurni, Berner Komm., Bern 2012, Art. 58 ZPO N 40; Naegeli, a.a.O., Art. 221 ZPO N 14; Füllemann, in: Schweizerische Zivilprozessordnung Komm. [Hrsg. Brunner/Gasser/Schwander], Zürich 2011, Art. 90 ZPO N 2; Dürr, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [Hrsg. Baker & McKenzie], Bern 2010, Art. 221 ZPO N 5; Gasser/Rickli, Schweizerische Zivilprozessordnung Kurzkomm., Zürich 2010, Art. 84 ZPO N 3). Das Eventualbegehren wird vom Eintritt der (innerprozessualen) Bedingung abhängig gemacht, dass das Hauptbegehren abgewiesen wird. Es kann daher wegen seiner Bedingtheit nicht für sich alleine bestehen (Klingler, Die Eventualmaxime in der Schweizerischen Zivilprozessordnung, Diss. Basel 2010, N 47 und FN 265). Eventualbegehren betreffen notwendig einen vom Hauptbegehren unterschiedlichen hilfsweise formulierten Streitgegenstand und werden daher von der Präklusionswirkung der materiellen Rechtskraft nicht erfasst. Sie können daher im Weg der Klageänderung parallel später auf dem Weg einer neuen Klage geltend gemacht werden (Oberhammer, Basler Komm., Basel 2010, vor Art. 84-90 ZPO N 4).

9.3. Im vorliegenden Fall stellte die Klägerin das Eventualbegehren Ziffer 2 ausdrücklich nur für den Fall, dass Antrag Ziffer 1 abgewiesen werden sollte. Wie erwogen, dürfen Teilentscheide im Fall der objektiven Klagenhäufung nur erlassen werden, wenn der Teil der gestellten Begehren unabhängig von den anderen beurteilt werden kann. Dies ist hier nicht der Fall. Die Vorinstanz hätte keinen Teilentscheid erlassen dürfen, sondern über die Klageänderung im Endentscheid gleichzeitig mit dem Entscheid über das Eventualbegehren entscheiden müssen. Es kann nicht zuerst über das Eventualbegehren und dann über das Hauptbegehren entschieden werden. Dies wäre aber genau der Fall, wenn die Klägerin betreffend das Hauptbegehren nochmals ein Schlichtungsverfahren einleiten und danach klagen würde. Das vorinstanzliche Vorgehen erweist sich daher nicht als prozessökonomisch. Zudem besteht die Gefahr widersprüchlicher Entscheide. Antrag Ziffer 1 der Berufung ist daher gutzuheissen. Die Frage der Zulässigkeit der Klageänderung kann hingegen nicht in diesem Verfahren beurteilt werden. Antrag Ziffer 2 der Berufung ist abzuweisen.

9.4. Der vorinstanzliche Entscheid ist aufzuheben und die Sache im Sinn der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 318 Abs. 1 lit. c ZPO).

Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.